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Betrieb & Technik
28.06.2020

Zugtüren im Notfall mit Muckis und Verstand öffnen

Die Notbremse kann Leben retten. Sie zu benutzen ist aber nur erlaubt, wenn Leib und Leben in Gefahr sind. Wer sie leichtfertig zieht, macht sich strafbar. Genauso ist es mit der Türnotentriegelung. Auch wer diese leichtsinnig betätigt, kann sich und andere in eine sehr kritische Situation bringen. Aber in welchen Momenten braucht man die Türnotentriegelung wirklich? Wir haben für euch nachgeforscht. Eines sei vorweggenommen: In jedem Fall ist die Verbindung zu eurem Lokführer oder eurer Lokführerin über die Sprechstelle am allerwichtigsten.

Offene Türen können gefährlich sein

Es gibt Notsituationen, für die die Türnotentriegelung gemacht ist. Sie befindet sich übrigens an jeder Tür auf der linken Seite, immer gegenüber der Notbremse, die auf der rechten Seite der Tür hängt. Doch ähnlich wie im Fall der Notbremse lautet das Motto: Erst einmal durchatmen, nachdenken und den/die Triebfahrzeugführer:in in die Entscheidung miteinbeziehen. Das macht ihr über die Sprechstelle, die ihr an jedem Türdurchgang vorfindet. Euer Lokführer oder eure Lokführerin ist für solche Fälle geschult. Sie wissen am besten, wie sie alle Fahrgäste sicher aus einer Notsituation manövrieren. Eine grundsätzliche Regel: Die Türnotentriegelung funktioniert nur, wenn die S-Bahn steht. Und das ist gut so, denn offene Türen bei hohen Geschwindigkeiten sind lebensgefährlich. Aber auch bei einem stehenden Zug können offene Türen ein Risiko darstellen.

Stillstand, und nun?!

Nehmen wir an, es hat sehr stark gestürmt, die Oberleitung ist defekt und die S-Bahn muss mitten auf der Strecke stehenbleiben. Links und rechts sind Gleise und in der Nähe eine kaputte Oberleitung unter Starkstrom. Keine Frage, es gibt Schöneres als in einem stehenden Zug festzustecken – schließlich haben wir alle jeden Tag viele Termine. Aber in dieser Situation seid ihr tatsächlich nur in der S-Bahn sicher. Bitte kommt also nicht auf die Idee, die Türnotentriegelung zu betätigen, um einfach zum nächsten Bahnsteig zu spazieren. Stattdessen könnt ihr euch zu 100 Prozent auf die geschulten Kolleg:innen verlassen: Es gibt eine erfahrene Einheit, das Notfallmanagement, die auf Abruf für solche Fälle bereitsteht. Und noch bevor diese zum Einsatz kommt, ist euer Lokführer oder eure Lokführerin für euch da.

Besonnenheit – das hilft am meisten

Denn während ihr euch noch wundert, was überhaupt passiert ist, weiß der/die Lokführer:in am schnellsten Bescheid. Er oder sie kommuniziert über Funk mit der Fahrdienstleitung und der Leitstelle, informiert euch per Durchsage darüber, was los ist, und gibt euch wichtige Anweisungen für das weitere Vorgehen. Euer Job in diesem Szenario? Zuhören und die Ruhe bewahren. Sollte es jemandem in der Situation gesundheitlich schlecht gehen oder jemand in Panik geraten, dann kommt die Sprechstelle ins Spiel. Teilt dem Lokführer oder der Lokführerin mit, was los ist. Der hat bereits das Notfallmanagement gerufen und kann die Einsatzkräfte informieren, dass beispielsweise noch zusätzlich ärztliche Hilfe benötigt wird.

Erde an Oberleitung …

Bleiben wir bei unserem Szenario: Erst wenn die Oberleitung von den Fachleuten geerdet wurde, sprich wenn kein Starkstrom mehr durchfließt, und der Lokführer bzw. die Lokführerin über die Leitstelle sichergestellt hat, dass kein Zug auf den nebenliegenden Gleisen anrasen kann, dann erst ist der Moment gekommen, in dem die Fahrgäste die Türen notentriegeln und mithilfe der Sicherheitskräfte aussteigen können. Wir merken uns also: Türnotentriegelung am besten immer erst dann betätigen, wenn der Lokführende die Ansage dazu macht. Übrigens, auch wenn die S-Bahn im Tunnel steht, solltet ihr unter keinen Umständen ohne Anweisung aussteigen. Auch hier liegen Kabel mit Starkstrom. Und noch ein kleiner Tipp bevor ihr aussteigt: Erst hinsetzen und dann langsam ins Gleisbett herunterlassen. Der Abstand zwischen Zug und Boden kann bis zu zwei Meter und mehr betragen.

Riegel, Hebel, Seilzug – wie öffnet man denn nun die Zugtüren?

Behaltet die Ruhe, bleibt im Kontakt mit dem Lokführenden und verlasst euch auf das Notfallmanagement der S-Bahn. Wenn euer Zug am Bahnhof steht, es im Zug brennt, oder ihr einer anderen Gefahrensituation entfliehen müsst, dann ist die Nottürentriegelung sinnvoll. Wer den Hebel zieht, betätigt damit einen Seilzug, der die Tür entriegelt, aber noch nicht komplett aufstößt. Ihr müsst mit ein bisschen Armschmalz nachhelfen. Da hilft zunächst ein frontaler Druck auf die Tür, mittig mit beiden Händen. Danach lassen sich die Elemente auseinanderschieben. Wir haben also gelernt: In Eigenregie die Türen der S-Bahn notentriegeln, ist in den meisten Fällen die falsche Idee. Denn ohne Hilfe und Anweisung der S-Bahn Kolleg:innen einfach mitten auf den Gleisen oder im Tunnel aussteigen, bedeutet in der Regel ein viel höheres Risiko. Bitte seid gewiss: Solange euch euer Lokführer oder eure Lokführerin nichts anderes sagt, seid ihr in der S-Bahn in den meisten Notsituationen am sichersten – bis euch die Expert:innen vom Notfallmanagement sicher aus dem Zug begleiten.