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Hinter den Kulissen
10.07.2019

Raphaela – Eine Gastronomin wird Lokführerin

Raphaela ist immer pünktlich. Das ist quasi eine Berufskrankheit. Eigentlich hat sie eine Ausbildung in der Gastronomie gemacht, bei McDonalds, um genau zu sein. Jetzt aber steht sie am Bahnsteig am Ostbahnhof und wartet. Sie wartet auf ihren Fahrtrainer. Braucht man in der Gastronomie einen Fahrtrainer? Nein! 

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Ein Quereinstieg, der Träume erfüllt

Raphaela ist eine sogenannte Quereinsteigerin bei der S-Bahn München. Damit erfüllt sie sich einen Kindheitstraum - auf Umwegen. Bevor sie sich hinters S-Bahn Steuer geklemmt hat, stand sie an der Fritteuse, oder hat Burger gebraten. Zuletzt war sie Filialleiterin einer McDonalds-Filiale. Dabei wollte sie schon immer Lokführerin werden. Nur ist ihr der Einstieg nach der Schule nicht gelungen. Doch jetzt ist sie ihrem Ziel ganz nahe. „Ich finde es toll, dass die S-Bahn München vielen eine Chance gibt, egal woher man kommt“, sagt sie. 13 Monate dauert die Umschulung. Raphaela steht kurz vor der Abschlussprüfung und kann es kaum erwarten. Obwohl die Zeit eigentlich knapp bemessen ist, wie ihr Ausbildungskollege, der neben ihr auf dem Bahnsteig steht, feststellt. Denn zu lernen gibt es viel. Ihren vorläufigen Führerschein hat sie schon jetzt. Sie hält ihn in der Hand, einen stolzen Ausdruck im Gesicht. „Mit diesem Führerschein kann ich später Züge in ganz Europa fahren“, erklärt Raphaela.

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Die S-Bahn gibt einem eine Chance, egal woher man kommt.
Raphaela
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Mit 3.000 PS durchs Münchner Umland

Gleich geht es los. Raphaela übernimmt eine S-Bahn am Ostbahnhof von einem Kollegen, gemeinsam mit ihrem Fahrtrainer. Sie trägt eine dunkelblaue Hose und eine dazu passende Weste über dem hellblauen Hemd – ihre Arbeitskleidung. Aus der Westentasche holt sie einen kleinen, unscheinbaren Schlüssel. „Kleiner Schlüssel, großes Fahrzeug“, sagt sie und lacht. Das Beste an der Ausbildung sind für Raphaela die Momente, in denen sie im Führerstand sitzt und den Zug selbst steuert. Ein aufregendes Gefühl – mit 3.000 PS durch das Münchner Umland. Heute ist wieder so ein Tag. Mit der S1 geht es erst nach Neufahrn, dann weiter zum Flughafen. Ihre Schicht geht von 15:12 Uhr bis 00:57 Uhr. Alles auf die Minute genau getaktet. Pausen gibt es dann, wenn Raphaela Zug und Richtung wechselt. Raphaela lächelt. Sie freut sich auf die bevorstehende Schicht. „Auf einen Tag, an dem ich fahren kann, freue ich mich schon beim Aufstehen“, sagt sie. 

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Kleiner Schlüssel, großes Fahrzeug.
Raphaela
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Ein Job mit großer Verantwortung

Vor ihrer ersten Fahrt war Raphaela zwar nicht aufgeregt aber eine ordentliche Portion Respekt hatte sie trotzdem. Denn ein Lokführer trägt viel Verantwortung und muss immer hochkonzentriert sein. Gerade wenn Unregelmäßigkeiten auftreten, muss man in der Theorie Gelerntes, blitzschnell in die Praxis umsetzen. Beispielsweise, wenn ein Unwetter ein Signal auf der Strecke beschädigt hat. Denn was einem Fahrgast nicht auffällt: Die Gleise sind gesäumt von Signalen und Schildern, die die Richtungen weisen, Geschwindigkeiten vorgeben oder anzeigen, wo der Zug zum Stehen kommen muss. Auch die für den Lokführer sind komplex. Aber ein Hebel ist besonders wichtig: der zum Anfahren und Bremsen. Das ist leicht zu merken. Alles andere muss ganz neu erlernt werden.

Kollege Marco - auch Quereinsteiger - im Berufsportrait

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Kommt Zeit, kommt Erfahrung

Der Fahrtrainer ist natürlich immer dabei. Er teilt seine Erfahrung mit dem „Nachwuchs“ und gibt Hilfestellungen. Und er ist immer bereit, den einen roten Knopf zu drücken, der eine Schnellbremsung auslöst. Das darf man sich allerdings nicht so vorstellen wie eine Vollbremsung mit einem Auto, bei der dann alles nach vorne fliegt. Denn bis eine fahrende S-Bahn mal zum Stehen kommt, liegen bereits 800 bis 1.000 Meter hinter ihr. Allerdings muss der Fahrtrainer bei Raphaela nur selten Hilfestellungen geben. Sitzt sie am „Hebel“, ist sie in ihrem Element. Die ersten Male ist sie noch sehr zaghaft angefahren, jetzt ist sie schon um einiges mutiger. Bevor man einen Zug fahren darf, wird die Koordination und die Schnelligkeit geprüft. „Man darf nicht farbenblind sein und man sollte gut hören“, erklärt Raphaelas Trainer Stefan. Zudem wird Blut abgenommen, denn Drogen sind ein absolutes Tabu. Alles andere ist Training und Erfahrung. „Vieles macht man nach der Zeit wie automatisch“, erklärt Stefan und zieht den Vergleich zum Autofahren – der allerdings nur manchmal passt.

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Dass ich Lokführerin werden will, verstehen die Leute ziemlich schnell, weil sie meine Begeisterung spüren.
Raphaela

Mohnblumen, Berge und eine ordentliche Portion Stolz

Zwar ist der Beruf mental wesentlich anspruchsvoller als in der Gastronomie, aber Raphaela ist glücklich. Ihre Kollegen sind nett, sie hat einen Arbeitsgeber, der auf ihre Bedürfnisse achtet und auch der körperliche Stress fällt weg. „Ich bin richtig stolz auf meinen Beruf“, sagt Raphaela. Auch wenn sie auf Partys immer wieder verwundert angeschaut wird, wenn sie sagt, sie sei Lokführerin. Jedoch kann sie jedes Mal erklären, warum es ihr Traumberuf ist. „Das verstehen die Leute dann immer ziemlich schnell. Aber auch, weil sie meine Begeisterung spüren“, sagt Raphaela. Sie wendet ihren Blick nicht von den Gleisen – Konzentration und Multitasking ist Teil des Berufs. Auf dem Weg nach Neufahrn säumen Mohnblumen die Gleise. Als Raphaela an einer Gruppe von Bauarbeitern vorbeifährt winkt sie zur Begrüßung. Sie ist kein Stadtkind, denn die Stadt ist so hektisch. Am liebsten fährt sie mit der S6 nach Starnberg, denn sie liebt es in der Natur zu sein und geht gerne in die Berge.