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Betrieb & Technik
22.04.2021

Wieder blitzeblank – Graffiti-Entfernung bei der S-Bahn München

„Halloooo!“ ruft uns eine in weiß gehüllte Person im Werk Steinhausen entgegen. Die Stimme kennen wir. Es ist unsere Kollegin Sara vom S-Bahn Online-Magazin-Team. Sie trägt alle erdenklichen Kleidungsstücke, die mit „Schutz“ beginnen: -anzug, -helm, -stiefel, -maske, -handschuhe und eine Schutzbrille. Und auch uns lotst sie direkt in einen Umkleideraum, auch wir müssen uns entsprechend ausrüsten. Denn heute begleiten wir Redaktionsleitung Sara und Praktikantin Geena nicht bei ihrer Arbeit am Schreibtisch, sondern dabei, wie sie der technischen Reinigung im Werk bei der Graffiti-Entfernung helfen. Warum? Um zu zeigen, wieviel Aufwand die Entfernung der Schmierereien verursacht und welche Plackerei tatsächlich dahintersteckt. Denn täglich kommen leider einige verschmierte Züge zur Reinigung ins Werk. Also Schutzmontur angelegt und auf zum Schrubben!

Safety first – Schutz beginnt bei der Kleidung 

Einen großflächig vollgesprühten Zug wollen wir uns heute vornehmen und dabei schauen, welche Arbeitsschritte nötig sind, damit eine besprühte S-Bahn wieder in ihrem satten Rot erstrahlen kann. Sara rückt noch einmal die Atemschutzmaske zurecht und ruft „So! Ich wäre bereit!“ Kerstin, die Teamleiterin der technischen Reinigung, wirft routiniert einen prüfenden Blick in die Runde und schaut, ob die Spezialkleidung wirklich überall sitzt. Sie arbeitet seit 30 Jahren bei der S-Bahn München und ist heute mit vier ihrer Reinigungsprofis bei dem Einsatz dabei. Auch wenn Kerstins Team neben der Graffiti-Entfernung noch andere Aufgabenbereiche innehat, müssen aktuell immer mehr Züge von Farben befreit werden: „In den letzten zwei Jahren haben die Graffitis zugenommen“, erklärt uns Kerstin. Nachdem auch wir Schutzkleidung bekommen haben und der letzte Quadratzentimeter Körper damit bedeckt ist, dürfen unsere Kolleginnen nun endlich zum Gleis an die Arbeit.

Die Reinigung: anstrengende Handarbeit

„Oh Scheibenkleister, das ist echt groß!“ – Sara schaut auf das etwa 10 Meter lange Graffiti, welches Geena und sie gleich entfernen sollen. Aber sie hat ja fleißige Helfer. Diese haben schon ein paar Vorbereitungen getroffen: Der Boden ist mit Spezialfleece ausgelegt, damit Farbe und Reiniger nicht ins Abwasser gelangen. Am Gleis stehen große Wannen, die später den Farbschlamm auffangen, sodass alles umweltgerecht und nach den rechtlichen Vorschriften entsorgt werden kann. Jetzt gilt es schnell Hand anzulegen. Denn um den Fahrgästen stets einwandfreie Züge zu gewährleisten, werden beschmierte Züge in der Regel innerhalb von 24 Stunden gereinigt. Sara hat daher schon eine Art langstieligen Besen in der Hand und einen Eimer neben sich stehen. Sie versucht, mit ähnlich fließenden Bewegungen wie die Kollegen, das flüssige Reinigungsmittel auf die Farbe aufzutragen. Wer schon einmal hohe Decken gestrichen hat, der kennt diese Bewegung – und die Schmerzen in den Schultern. Sara sieht es sportlich: „Ich schwitz schon. Das ist wie im Fitnessstudio. Aber was sein muss, muss sein“. Sara lehnt sich auf ihren Besen, dehnt den Rücken und ruft erklärend: „Das Mittel wirkt jetzt ein – so zehn Minuten!“ Sie schaut auf das behandelte Graffiti. Die Farben verlaufen nun düster ineinander. „Oh man, das wird ja eher schlimmer.“ Aber Kerstin beruhigt uns: „Das muss so sein, die Mittel dringen in die Farbe ein und lösen sie auf.“

Effektiv sauber dank moderner Reinigungsmittel

Nun bekommen Sara und Geena wie beim Fensterputzen einen langstieligen Abzieher in die Hand und gehen damit über die gelöste Farbe. Sie klatscht bei jeder Abwischbewegung in die Farbwannen. Das Rot der S-Bahn ist plötzlich wieder zu sehen.  „Tatsächlich, das Mittel hat ganze Arbeit geleistet. Jetzt geht das schon etwas einfacher ab“, dringt es dumpf durch Geenas Maske. Kerstins fachliche Einschätzung zu Sara und Geenas Arbeitsleistung: „Die schlagen sich gut, die Mädels!“ Was ist das also für ein magisches Putzmittel, das Lackfarbe zum Glück so gut in die Knie zwingt? „Wir haben so viele Reiniger, wie es Farben gibt! Das sind aber nicht mehr die Chemiekeulen, die es früher gab. Da ist schon viel passiert in Sachen Umweltschutz und Verträglichkeit, und wir probieren hier auch ständig Neues aus“, erklärt uns Michael, der sich auch um das Equipment kümmert. Durch die gelöste Farbe und das Putzmittel entsteht ein wahrnehmbarer Geruch, unsere „Praktikantinnen“ bekommen dank Spezialmasken davon aber nichts mit, sie schrubben manuell und mit aller vorhandenen Muskelkraft noch hartnäckige Flecken mit einem kleinen Pad weg. Als letztes bekommt die S-Bahn eine Dusche mit reinem Wasser. Fertig! Sara und Geena reißen sich Helm und Maske ab. Ihre Gesichter sind verschwitzt: „Das ist ganz schön warm unter dem Overall, wenn man das nicht gewohnt ist“, protokolliert Geena. 

Sprayen: kein Kavaliersdelikt, sondern eine Straftat

„Schau mal, wie die S-Bahn jetzt wieder glänzt! So möchte ich als Fahrgast doch, dass die S-Bahn aussieht, nicht so vollgeschmiert“, Sara zeigt uns das Ergebnis der mühevollen Handarbeit des Teams und macht deutlich, was nicht nur die modernen Reinigungsmittel, sondern auch die speziellen Schutzlackierungen der S-Bahnen ausmachen. Und wie ist ihr Fazit nach der Schufterei? „Das ist so ein bisschen wie Auto putzen, nur in groß und deutlich anstrengender. Dennoch ist es ärgerlich, dass diese Arbeit überhaupt anfällt. Sie ist nämlich schon mühsam und wenn ich drüber nachdenke, fände ich es schöner, man könnte die Arbeitskraft in andere wichtige Arbeiten stecken. Es ist und bleibt einfach Sachbeschädigung, und das ist einfach überhaupt nicht in Ordnung“, und greift an ihre Schultermuskulatur. Die beiden „Praktikantinnen“ freuen sich aber dennoch über das sichtbare Ergebnis, während Kerstin augenzwinkernd in unsere Richtung flüstert: „Das war noch ein eher leichtes Graffiti.“ Denn leider dauert die Prozedur selten nur eine Stunde, so wie heute. Jede der Schmierereien erzeugt eine Menge Kosten und Arbeit. Für die Reinigung eines Wagens brauchen etwa drei Fachkräfte normalerweise einen gesamten Arbeitstag. Das variiert nach Farbdicke und Größe des Graffitis. Auch können die S-Bahnen nur wenige Male chemisch gereinigt werden. Dann ist sogar eine Neulackierung nötig, die beispielsweise bei einem kompletten Triebzug bis zu 30.000 Euro und eine Woche Arbeitszeit kostet.

Verstärkung gesucht

Letztes Jahr entstanden dem DB Konzern durch diese Form des Vandalismus Schäden in Höhe von rund 12,6 Millionen Euro. „Das ist Geld, das wir natürlich lieber direkt in unseren Fahrgastservice investieren würden“, sagt Kerstin. Deswegen greift die S-Bahn bei der strafrechtlichen Verfolgung von Graffitis konsequent durch. Sobald eine S-Bahn bemalt wird – egal in welcher Größe – handelt es sich um Sachbeschädigung. Den Täter:innen droht eine Haftstrafe von bis zu zwei Jahren, entstandene Schäden können noch bis zu 30 Jahre lang von den Sprayern eingefordert werden. Kerstins Team wird die Arbeit wohl leider trotzdem so schnell nicht ausgehen, im Gegenteil. Sie fügt hinzu: „Wir suchen gerade noch Verstärkung für das Team.“ Na, immerhin hat sie heute zwei hoch motivierte Kolleginnen gefunden, die tatkräftig unterstützt haben.